2.4.1 Vorteile von CORBA

In diesem Abschnitt soll die Verwendung von CORBA als Realisierungsumgebung für den Prototypen des Agenten motiviert werden. Hierzu werden die Vorteile von CORBA für das System- und Anwendungsmanagement gegenüber dem in diesen Bereichen bisher dominierenden Internet-Management zusammengefaßt.

• Wie bereits erwähnt, sollen die Konzepte des RM-ODP dazu benutzt werden, geeignete generische Objektklassen für das System- und Anwendungsmanagement zu spezifizieren. CORBA ist eine standardisierte Architektur zur Bereitstellung der Infrastruktur für verteilte objektorientierte Programmierung. Sie gilt als die Referenzrealisierung für einige Konzepte aus dem Engineering Viewpoint des RM-ODP. Die Standardisierungsgremien der ISO und OMG arbeiten eng zusammen, um die Modelle untereinander konsistent zu halten. Da es sich bei der OMG um eine Vereinigung großer Software-Hersteller handelt, ist davon auszugehen, daß die Konzepte des RM-ODP mit Hilfe von CORBA auch den Weg in konkrete Produkte finden werden. Es ist daher zu erwarten, daß in Zukunft integrierte Managementlösungen, also Agenten, Plattformen und Anwendungen, basierend auf CORBA entwickelt werden. Ein Beispiel für eine bereits existierende, kommerzielle Managementlösung auf Basis von CORBA ist Tivoli TME.
• Der objektorientierte Ansatz hat sich gegenüber dem Informationsmodell des Internet-Managements als geeigneter für die Definition von Managed Objects herausgestellt. Bei der Verwendung von SNMP beschränkt sich das Management auf das Lesen und Schreiben einfacher Variablen. Außer zweidimensionalen Tabellen gibt es bisher keine komplexeren Datentypen. Beziehungen zwischen Objekten müssen aufwendig über Indexvariablen und Indextabellen konstruiert werden. Das Auslösen von Aktionen auf einer Ressource ist durch sog. ,,Pushbutton-Variablen`` unnatürlich modelliert.

  CORBA erlaubt durch die Sprache IDL die objektorientierte Modellierung der Ressourcen. IDL unterstützt die Definition komplexer Datenstrukturen für Attribute. Die Methoden, die die Funktionalität für den Zugriff darstellen, werden gemeinsam mit den Datenstrukturen in einem CORBA-Objekt gekapselt. Managementaktionen auf Ressourcen können ebenfalls anschaulich durch Methoden modelliert werden. Weiterhin ist durch Vererbung die Wiederverwendung definierter Information und Funktionalität möglich. Hierdurch wird die unübersichtliche, redundante und proprietäre Definition von Information im Internet-Registrierungsbaum vermieden.

• Da das Internet-Management kein Funktionsmodell besitzt, welches die Delegierung von Funktionalität an die Agenten erlaubt, müssen Aufgaben wie das Sammeln und Auswerten von Leistungsdaten, das Führen von Logs und die Verarbeitung von asynchronen Meldungen zentral durch die Managementplattform oder Anwendung erledigt werden. In großen Systemen kann dies aber zu Engpässen bei den Rechen- und Kommunikationsressourcen führen. CORBA erlaubt die Implementierung leistungsfähiger Agenten, die eigene Funktionalität für obige Aufgaben besitzen können. Darüber hinaus können diese Funktionen aufgrund der Infrastruktur von CORBA auch von verteilten Managementkomponenten (Server-Objekten) erbracht werden.
• Von CORBA erhofft man sich auch erhebliche Effizienzsteigerungen beim Zugriff auf die Managementinformation der Ressourcen. Tabellen können bei SNMP nur sequentiell durch zahlreiche Einzelanforderungen (GetRequest, GetNextRequest) ausgelesen werden. Bei CORBA ist neben dem wahlfreien Zugriff auf Einzelattribute auch die Übertragung einer großen Menge an Information durch eine Anforderung bis zur Kopie ganzer Objektinstanzen möglich. Da sich aber CORBA-konforme Object Request Broker der Version 2 erst kurze Zeit auf dem Markt befinden, muß die tatsächliche Effizienz der Implementierungen evaluiert werden.
• Die ebenfalls standardisierten CORBA-Services, die nach und nach von den ORB-Herstellern angeboten werden, vereinfachen die Implementierung einer Managementlösung auf Basis von CORBA.

  Der life cycle service vereinheitlicht das Anlegen, Kopieren und Löschen von Objekten. Der naming service erlaubt die hierarchische Anordnung von Objekten in einem Registrierungsbaum und ermöglicht somit eine effiziente Suche nach Objekten. Möglicherweise könnte er auch zur Implementierung des vom OSI-Kommunikationsmodell bekannten Scoping eingesetzt werden. Der event service definiert ein Kommunikationsmodell für das Senden und Empfangen von asynchronen Meldungen. Darüber hinaus können spezielle Server-Objekte die Events filtern und korrelieren. Beziehungen zwischen Managementobjekten, wie z.B. Enthaltenseinshierarchien, können auf den relationship service abgebildet und somit besser kontrolliert werden. Der security service könnte nicht nur Anforderungen aus dem Sicherheitsmanagement abdecken, sondern auch Sicherheitsmechanismen innerhalb des Managementsystems implementieren.

• Wie oben bereits erwähnt, kann durch Kapselung von Code bestehender Agenten in CORBA-Objekte sowohl die Wiederverwendung des Codes als auch der Anschluß von Altsystemen (legacy systems) an neue, objektorientierte Systemumgebungen realisiert werden. Hierzu ist es allerdings erforderlich, daß die Agentenprozeduren modularisiert und der Quellcode offen zugänglich ist.
• CORBA soll die Entwicklung verteilter Anwendungen in heterogenen Systemumgebungen erleichtern. Damit eignet es sich implizit auch als Realisierungsumgebung für verteilte Anwendungen für das integrierte System- und Anwendungsmanagement. Anwendungen und Management nutzen die gleiche Kommunikationsinfrastruktur. CORBA-Management ist auch, anders als SNMP, nicht auf eine Protokollwelt beschränkt, da das Inter-ORB-Protocol IOP auf verschiedenen Transportprotokollen aufsetzen kann. Ebenso ist die Spezifikation von Dienst- und Managementschnittstellen der Anwendungskomponenten einheitlich.
• Die Kooperation von Agenten verschiedener Hersteller auf einem System ist aufgrund des offenen Standards von CORBA problemlos möglich. Hierzu waren für SNMP Erweiterungen wie DPI oder DMI der DMTF erforderlich.
• Da die Beschreibung von CORBA-Objekten durch IDL unabhängig von einer Programmiersprache ist, ermöglicht der ORB die Kooperation von Objekten, die in unterschiedlichen Sprachen implementiert sind. Java erleichtert die Entwicklung portabler und ortsunabhängiger Managementanwendungen mit aufwendigen graphischen Benutzeroberflächen. Diese können über den ORB transparent auf Agenten zugreifen, die aufgrund ihrer Systemnähe möglicherweise in C++ programmiert wurden.