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Verteiltes Management von LEO/MEO-Satellitennetzen

   

Wir werden nun einen Problembereich vorstellen, der im Vergleich zu den bisher vorgestellten Szenarien über eine ausgesprochen hohe Dynamik verfügt und daher spezielle Anforderungen an das Management stellt: Die Inbetriebnahme des ersten globalen Satellitennetzes für Mobilkommunikation im Herbst 1998 unterstreicht auch die hohe Aktualität und Praxisrelevanz dieses Themenkomplexes. Das Szenario verdeutlicht ebenfalls den Wechsel von zentralisiertem Management hin zu verteiltem kooperativem Management.

Zwar wurden bereits seit 1965 diverse Kommunikationsdienste (Abwicklung interkontinentaler Telefonie, Fernsehausstrahlungen) mit Hilfe geostationärer Satelliten (geosynchronous earth orbit (GEO))  abgewickelt, die sich in einer Höhe von 36000 Kilometern über dem Äquator befinden. Aufgrund der großen Entfernung zur Erde deckt ein geostationärer Satellit ungefähr ein Drittel der Erdoberfläche ab; demzufolge reichen bereits drei solcher Raumsonden aus, um globale satellitengestützte Kommunikation zu ermöglichen. Desweiteren folgen geostationäre Satelliten (wie es der Name bereits impliziert) der Erdrotation, weshalb lediglich eine geringe Anzahl von Bodenstationen benötigt wird. Um diese Systeme zu überwachen und zu steuern, werden daher ebenfalls wenige Managementsysteme benötigt, die sich in den Bodenstationen befinden und jeweils für das Management eines geostationären Satelliten zuständig sind. Dieses zentralistische Managementkonzept  (dargestellt in Abbildung [*]) ist für die vollständige Überwachung der Kommunikation ausreichend, da innerhalb jeder Bodenstation lediglich eine überschaubare Zahl von Managementobjekten administriert wird.

Neben ihren hohen Kosten haben geostationäre Satelliten jedoch noch weitere Nachteile, die sich insbesondere bei der Telefonie negativ bemerkbar machen: Aufgrund der hohen Entfernungen ergeben sich signifikante Signallaufzeiten (Round-trip delays von 260 ms sind hierbei üblich), die sich negativ auf die Gesprächsqualität auswirken. Ferner verbietet die Notwendigkeit einer sehr hohen Sendeleistung die direkte Verbindung von Mobiltelefonen mit den Satelliten, so daß GEO-basierte Satellitennetze ausschließlich als Transitnetze zum Einsatz kommen [#!mill98!#].


  
Abbildung: Zentralistisches vs. verteiltes kooperatives Management

Zur Umgehung dieser Restrikitionen wurden in den letzten Jahren zwei Ansätze entwickelt, die darauf beruhen, die Satelliten näher in Richtung Erdoberfläche zu positionieren, sodaß sowohl die Verzögerungszeiten verkleinert werden, als auch bereits die geringe Sendeleistung mobiler Telefone (ca. 1 Watt) ausreicht, um unmittelbar mit den Satelliten in Verbindung zu treten. In Abhängigkeit von ihrer Entfernung zur Erde werden solche Satellitensysteme als Low earth-orbit (LEO)-Satelliten  (500 bis 1500 km Entfernung; Round-trip delays zwischen 10 und 30 ms) oder Middle earth-orbit (MEO)-Satelliten  (5000 bis 12000 km Entfernung; Round-trip delays ca. 100 ms) bezeichnet. Beispiele für LEO-Satellitensysteme sind Iridium (780 km Entfernung, 66 Satelliten) und Globalstar (1400 km, 48 Satelliten); bei ICO (10354 km, 12 Satelliten) handelt es sich um einen typischen Vertreter eines MEO-Satellitennetzes.

Wie bereits aus den angegebenen Werten hervorgeht, erfordert die relativ geringe Entfernung von LEO/MEO-Satelliten zur Erdoberfläche eine entsprechend hohe Zahl von kleinen Satelliten (und damit prinzipiell auch Bodenstationen), die sich überdies in einer von der Erdrotation unterschiedlichen Geschwindigkeit bewegen. Dies führt dazu, daß die Anzahl von Satelliten, die sich jeweils in Reichweite einer Bodenstation (oder eines Endgerätes) befinden, variabel ist und insbesondere zu einem gegebenen Zeitpunkt mehrere Raumsonden Kommunikationsverbindungen mit einer Bodenstation haben. Eine Konsequenz daraus ist, daß eine Verbindung während ihres Bestehens über unterschiedliche Satelliten geschaltet wird, was wiederum eine dynamische Topologie impliziert. Anforderungen an die Topologiedarstellung von LEO/MEO-Satellitenverbunden wurden in [#!dnwi95!#] untersucht.

Die hohe Dynamik der Kommunikationsbeziehungen und die beträchtliche Anzahl an kleinen Satelliten und Bodenstationen bedingt ebenfalls eine Neuausrichtung des Managements: Anstelle des in GEO-Satellitennetzen verwendeten zentralistischen Managements mit wenigen leistungsfähigen Managementplattformen muß in LEO/MEO-Satelitennetzen ein Management eingeführt werden, bei dem die einzelnen ,,leichtgewichtigen`` Managementsysteme zusammenwirken. Gefordert ist also eine Managementarchitektur, die der verteilten Natur von Satellitensystemen und Bodenstationen gerecht wird und kooperatives Management (wie es in Abschnitt [*] definiert wurde) unterstützt. Dies ist nicht zuletzt deswegen vonnöten, als die hier beschriebenen Satellitensysteme sehr hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit der (Management-) Systeme haben, was das Vorhandensein geeigneter Replikationsmechanismen erfordert.

Hierbei ist es wichtig, sich auf objektorientierte Architekturen für verteilte Verarbeitung abzustützen, wie sie in Abschnitt [*] vorgestellt werden. Diese bilden die Grundlage, um wiederverwendbare Softwarekomponenten zu konstruieren und in eine verteilte Umgebung einzubringen. Außerdem stellen sie nicht nur eine Ablaufumgebung für diese Komponenten bereit, sondern auch geeignete Zugriffsmechanismen, die von den plattformspezifischen Gegebenheiten (Betriebssystem, Systemarchitektur) abstrahieren. Bei der Verwendung portabler Programmiersprachen und virtueller Maschinen ist es ebenfalls möglich, Managementdienste an Agentensysteme zu delegieren, d.h. diese zur Laufzeit um neue Funktionalität zu erweitern. Insbesondere in der hier vorgestellten Umgebung ist dies von ausgesprochen hoher Wichtigkeit, da einerseits die Größe der auf einzelnen Satelliten realisierbaren Agentensysteme naturgemäß beschränkt ist und - im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Szenarien - nach Inbetriebnahme der Systeme (d.h. nach ihrer Positionierung im Orbit) keine manuellen Eingriffsmöglichkeiten mehr bestehen[*]. Das Einspielen einer neuen Version eines Agenten kann daher nur über softwaretechnisch realisierte Kommunikationsmechanismen erfolgen. Hierbei sollten aus Effizienzgründen ebenfalls diejenigen Kommunikationsmechanismen für das Management genutzt werden, die bereits zur Erbringung der Nutzfunktionalität vorhanden sind. Die Tatsache, daß Management ,,inband``  erfolgen sollte, impliziert die Abbildung der vier Teilmodelle einer Managementarchitektur auf eine Softwarearchitektur und stellt, wie in Abschnitt [*] genauer ausgeführt wird, eine signifikante Einschränkung der Wahlfreiheit dar: Gegenwärtige Managementarchitekturen arbeiten überwiegend nach dem Prinzip des ,,Outband-Managements`` , d.h. sie verwenden eigenständige Protokolle speziell für die Zwecke des Managements.


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Copyright Munich Network Management Team